Modularisierung
Definition
Das Zerlegen komplexer Einheiten oder Systeme in abgegrenzte, eigenständige funktionale Einheiten – Module, bezeichnet man als Modularisierung. Insofern geht Modularisierung zunächst von einem System oder einer übergeordneten Einheit als Ganzem aus. Ein Modularisierungsprozess beinhaltet allerdings nicht nur die Analyse sondern gleichzeitig auch die Synthese eines modularen Aufbaus. Gegenstück zu einem modularen Aufbau ist der Aufbau „in einem Stück“ oder durch Zusammenfügen wenig definierter Bestandteile. Modularisierung ist mit der Herstellung eines Baukastensystems vergleichbar und stellt eine besondere Form der Strukturierung dar.
Vorteile
-
Durch Modularisierung kann Komplexität reduziert und eine Struktur übersichtlich und transparent gestaltet werden.
-
Modularisierung ermöglicht einen arbeitsteiligen Aufbau und eine leichtere Pflege und Wartung von Systemen.
-
Durch Wiederverwendung von Modulen und die Möglichkeit, diese unterschiedlich zu kombinieren oder Module gegeneinander auszutauschen, lassen sich wiederum komplexere Systeme oder Einheiten herstellen.
-
Modularisierung erleichtert die Standardisierung.
Nachteile
Das Erstellen und Verwalten von Modulen erfordert unter Umständen einen hohen Aufwand (siehe auch Granularität ). Dieser Aufwand wird gerechtfertigt durch eine entsprechende Anzahl von Wiederverwendungsmöglichkeiten und eine entsprechende hohe Komplexität . Modularisierung erfordert Standardisierung.
Anwendung
Modularisierung findet insbesondere Anwendung in der Technik („modularisierter Maschinenbau“), in der Softwareentwicklung („objektorientierte Programmierung“) aber auch im Aufbau von Organisationen oder zur Strukturierung abstrakter Inhalte.
Modularisierung im Bereich der Technischen Redaktion
Nach Ament [2] besteht ein grundlegender Unterschied zwischen einer dokumentbezogenen linearen und einer elementbezogenen modularen Schreibweise. Erstere führt zu Dokumenten mit einer sequentiellen Struktur, die sequentiell gelesen werden. Letztere ergibt Elemente, die für sich stehen und in unterschiedlichen Kontexten angeordnet werden können.
Die Strukturierung technischer Dokumentationen ist von entscheidender Bedeutung für deren Nutzer (Verständlichkeit, Lesbarkeit, Orientierung) aber auch für deren Ersteller (Vollständigkeit, Richtigkeit, Prüfung, Wartung und Pflege).
Content- Management- und Translation-Memory-Systeme (CMS, TMS) verlangen eine Modularisierung. Die Forderung, Inhalte aus einer Quelle in unterschiedlichen Medien und Sprachen bereit zu stellen (Single Source Publishing, Cross Media Publishing, Internationalisierung) und die damit verbundene konsequente Trennung von Inhalt (content), Struktur und Layout, haben die Modularisierung der Inhalte zur Voraussetzung.
Modularisierungsprozess
Ein Modularisierungsprozess muss nach [3] folgende Modulare Operationen ermöglichen:
-
Modularisierung (Bildung von Modulen)
-
Aggregation (Zusammenstellung und Anordnung der Module)
-
Ausschließung (Entfernung von Modulen)
-
Ersetzung (Ersetzen eines Moduls durch ein anderes)
-
Reorganisation (Veränderung der Reihenfolge der Module)
-
Anpassung (Umwandlung eines Moduls)
Voraussetzungen für die Durchführung der Modularen Operationen sind Festlegungen
-
zu Kriterien für die Bildung von Modulen,
-
zur Größe (Granularität) und Hierarchie der Module,
-
zu Regeln für die sprachliche Gestaltung.
Außerdem sind Regeln für die Verwaltung und Wiederauffindung (retrieval) der Module erforderlich.
Zehn Schritte nach Ament
Ament hat eine sehr systematisches und praxisorientiertes Konzept für die Modularisierung linearer Inhalte vorgeschlagen [1]. Er unterteilt den Modularisierungsprozess in zehn Schritte:
-
Identifizierung der Module (Welche primären und sekundären Module sind in dem linearen Dokument enthalten?)
-
Betitelung der Module
-
Organisieren der Module (Einordnung sekundärer in primäre Module, Unterscheidung nach Modultyp)
-
Aufbau der Module (konsistente Struktur der Module nach Regeln für einzelne Modultypen)
-
Editieren der Module (sprachliche Klarheit, Kürze und Konsistenz)
-
Organisieren des Dokuments (Anordnen der Module im Dokument)
-
Querverweise (Inhaltsverzeichniss, Index, Querverweise)
-
Umwandlung des Dokuments (Festlegen der Formatierung)
-
Testen (usability test der einzelnen Ausgabeformen des Dokuments)
-
Leitfaden entwickeln (die bei Entwicklung, Überarbeitung und Test gefundenen Lösungen werden in abgestimmten Leitfäden festgehalten).
Die Vorgehensweise bei der Strukturierung hat Ähnlichkeit mit dem Information-Mapping®-Konzept.
Weitere Ansätze für die Modularisierung
Für die Strukturierung von Inhalten existieren verschiedene Ansätze, die auch zur Modularisierung verwendet werden können (Funktionsdesign®, Klassenkonzept-Technik® und andere, siehe zum Beispiel [4]). Den in der Technischen Dokumentation bedeutsamen Unterschied zwischen einer Strukturierung nach dem Funktionsprinzip (Funktion des Moduls für den Leser) oder nach dem Inhaltsprinzip (nach Bauteilen, Komponente einer Maschine oder eines Gerätes) erörtert Ley [5].
Granularität und Redundanz
Eine wichtige Frage bei der Modularisierung ist die Granularität (Körnigkeit), also die Größenverteilung der Module. Bei der Wiederverwendung einzelner Module in unterschiedlichen Dokumenten oder Kontexten sind häufig Änderungen oder Ergänzungen erforderlich. Diese führen zur Bildung von Varianten mit Wiederholungen identischer Elemente und damit zu Redundanz. Große Module bedingen eine hohe Redundanz, die man gerne vermeiden möchte. Kleine, angepasste Module führen zu weniger Redundanz, können aber die Zahl der Module sehr stark anwachsen lassen. Die Verwaltung einer großen Zahl kleiner Module wird selbst bei Einsatz eines Content-Management-Systems schnell problematisch. Wichtig ist also, einen sinnvollen Kompromiss zwischen Modulgröße und Redundanz zu finden. Zum Beginn eines Modularisierungsprozesses sind Module in Kapitelgröße sinnvoll (siehe zum Beispiel [6]) .
Zur Wiederverwendung von Modulvarianten die empfehlen Ziegler und Schlenker [7][8] die Referenzierung von sogenannten Mastermodulen. Einzelne Elemente dieser Mastermodule werden dabie im jeweiligen Dokument regelbasiert ein- oder ausgeblendet (fragmentierte Wiederverwendung).
Verständlichkeit
Auch wenn man davon ausgehen kann, dass die sinnvolle Strukturierung von Informationen deren Qualität verbessert, liegen offenbar kaum Untersuchungen über konkrete Zusammenhänge zwischen Modularisierung und Nutzbarkeit von Dokumenten und Informationen vor.
Literatur
[1] Ament, Kurt: Single Sourcing – Building Modular Documentation. William Andrew Publishing, Norwich,New York 2003
[2] Duden “Etymologie”: Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. 2., neu bearb. Auflage, Dudenverlag Mannheim, Wien, Zürich 1989
[3] Meyer, Marek: Modularization and Multi-GranularityReuse of Learning Resources. Dissertation Technischen Universität Darmstadt, Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik 2008; Link: http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/1156/1/Marek_Meyer_genehmigte_Dissertation.pdf, letzter Zugriff 01.02.2009
[4] Muthig, Jürgen (Hrsg.). Standardisierungsmethoden für die Technische Dokumentation. tekom-Hochschulschriften Band 16. Lübeck: Schmidt-Römhild 2008
[5] Ley, Martin: Aspekte der Informationsstrukturierung. technische kommunikation 4/2006, 51-54
[6] Ziegler, Wolfgang: Lohnt sich Content Management? technische kommunikation 6/2004, 19 - 21
[7] Ziegler, Wolfgang: Fünf Methoden zur Feinarbeit. technische kommunikation 3/2005, 40 - 44
[8] Schlenker, Reiner: Rettung vor der Modulflut. technische kommunikation 1/2006, 39 - 43
(Verfasser: Peter Frahm; Stand 15.02.209)